Über die Autorentafel

Jeder Interessierte wird feststellen, dass Sokrates’ Einsicht „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ wohl die beste Inspiration für alle ernsthafte Bemühung um Bildung bleibt. Die Autorentafel möchte an diese Erkenntnis anknüpfen und dem Betrachter helfen, sein Nichtwissen etwas besser zu sortieren. „Autoren“ sind im allgemeinen Sprachgebrauch Verfasser von Texten aller Art. In der ursprünglichen, lateinischen Bedeutung sind es „Urheber“ oder „Schöpfer“ – in diesem Sinn und in unserem Zusammenhang also alle jene Menschen, die in der Kultur Bleibendes geschaffen haben. Dies gilt für Komponisten, Maler und Bildhauer genauso wie für Literaten und Philosophen. Jene Persönlichkeiten, die im Laufe der europäischen Geschichte seit ihren Anfängen in der griechischen Antike um ca. 700 v. Chr. in herausragender Weise das kulturelle Erscheinungsbild Europas als Denker und Künstler geprägt haben, sind hier in einem Schaubild, der „Autorentafel“, zusammengeführt.

Autorentafel

Die Autorentafel ist in mehreren Varianten für unterschiedliche Ansprüche und Umgebungen verfügbar. In Bibliotheken, Universitäten, weiterführenden Schulen, in den verschiedenen Institutionen der Erwachsenenbildung, im Umfeld musikalischer und künstlerischer Praxis ebenso wie in privaten Räumen regt sie dazu an, namhafte Autoren über die historische und geographische Verortung hinaus im Kontext etablierter kulturgeschichtlicher Begriffe wahrzunehmen. In jedem Fall und an jedem Ort bietet sie einen synoptischen Überblick über die rund 1400 aufgeführten Autoren und erlaubt dem interessierten Betrachter, selbst Zusammenhänge zu erkennen oder zu schaffen.
Erläuterungen zur Gestaltung der Tafel finden sich in der (auch auf der Tafel zu findenden) Legende:

Legende

Was will die Autorentafel leisten? Der Benutzer soll „prima vista“ einen Überblick darüber erhalten, wer die wichtigen Autoren einer Epoche sind, wann sie lebten, wo und in welchem geistesgeschichtlichen Umfeld sie wirkten. Solche Minimal-Informationen können
– einfache Fragen des Betrachters direkt lösen
– Stichwörter für eine gründlichere Recherche liefern
– oder, und das ist das wichtigste, ganz allgemein Interesse für Unbekanntes wecken.

Einige Einzelheiten zum besseren Verständnis:

  1. Die Karte von Europa mit den aktuellen nationalen Grenzen dient der einfachen Zuordnung der Autoren nach einer ihrem Herkunftsland zugewiesenen Farbe. Dabei spielt es keine Rolle, dass häufig die so gekennzeichnete Region in früheren politischen Konstellationen andere Namen als heute trug. Da es weniger allgemein klar unterscheidbare Farben gibt als europäische Länder, andererseits aber nur wenige bedeutende Kulturländer die große Mehrheit der hier berücksichtigten Autoren hervorbrachten, wurde nur diesen eine eigene Farbe zugewiesen, während die Herkunft von Autoren der übrigen Länder schwarz und in Worten vermerkt ist. In eigener Farbe erscheinen entsprechend der Entwicklung der europäischen Geistesgeschichte, welche in der griechisch-römischen Antike wurzelt, die seit dem Mittelalter entstandenen großen romanischen und germanischen Nationalkulturen Italien, Spanien, Frankreich, Niederlande, England und Deutschland als Sprachraum mit Österreich und der Schweiz. Deutlich bereichert wird dieser „abendländische Kulturkreis“ etwa seit dem 18. Jahrhundert durch slawische Völker, vor allem Russland. Die bewusst selektive Berücksichtigung bedeutender, mit der abendländischen Kultur traditionell eng verbundener Autoren außereuropäischer Länder – vor allem in Kontinentalamerika – soll die prinzipielle Konzentration auf Europa nicht in Frage stellen. Aufgrund der Sprachverwandtschaft sind die Farben der USA und der südamerikanischen Länder den englischen und spanischen Farben angenähert.
    Karte einblenden
    Autorentafel Karte
  2. Um die griechisch-römische Welt in einer Karte des gegenwärtigen Europa in Erinnerung zu rufen, wurden deren Grenzen um 395 nach Christus mit gestrichelter Linie eingetragen. Es handelt sich um die Zeit, als das Ende des einheitlichen „Imperium Romanum“ durch die Teilung des Reiches in Ost- und Westrom eingeleitet wurde. Der Ausbreitung griechischen Geistes hatte Rom stets günstige Voraussetzungen geboten. Für das zuvor systematisch verfolgte Christentum gilt dasselbe erst seit Kaiser Konstantin und formal mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Jahr 391 n.Chr. Die Zusammenführung der beiden wichtigsten Ströme abendländischer Kultur – Griechischer Geist und christliche Religion – markiert die allmähliche Wende von der Antike zum Mittelalter.
  3. Im allgemeinen wächst der Umfang des überlieferten Materials mit der Annäherung an die Gegenwart. Umgekehrt nimmt mit der Ferne der Ereignisse die Erinnerung ab. Diesen Aspekten entsprechend blickt der Betrachter der Autorentafel aus der Perspektive der Gegenwart auf immer kleiner erscheinende Jahrhunderte zurück, bis er auf Sappho, Thales und Homer trifft.
  4. In den Bereichen Kunst und Musik beginnt – nach äußerst seltenen Ausnahmen in Antike und Mittelalter – erst um ca.1100 mit Guillaume von Aquitanien in der Musik und um ca.1300 mit Giotto di Bondone in der Malerei die Geschichte namentlich bekannter Musiker und Maler als kontinuierlicher Zusammenhang. Drei der vielfältigen Gründe für diesen Sachverhalt sind: 1. Maler und Bildhauer galten in der Antike als Handwerker und fanden als Angehörige dieser sozialen Schicht nur sehr selten individuelle Erwähnung. 2. Die Musik andererseits war im Kontext lyrischer und dramatischer Gestaltungen schon bei den Griechen hoch geschätzt, doch Komponisten im heutigen Verständnis konnte es erst mit der Entwicklung der Notenschrift seit dem 11. Jahrhundert geben. 3. Im christlich geprägten Mittelalter war es selbst-verständlich, dass Kunstwerke aller Art der Ehre Gottes dienten, nicht der des Künstlers. Erst im Zuge des aufkommenden Renaissance-Humanismus begannen die Autoren sich selbstbewusst als individuelle Persönlichkeit zu emanzipieren und ihre Werke zu signieren.
  5. Allen Elementen der Tabelle – von der Auswahl der Kulturbereiche über die Formulierung repräsentativer geistiger Strömungen bis zur Festlegung auf bestimmte Autoren – liegt wie ein Leitmotiv die Einstufung als „klassisch“ zugrunde, primär im Sinne der Bewährung über längere Zeiträume. Der Verzicht auf Portraits lebender Autoren ergab sich daraus ebenso wie der Entschluss, nur Personen in die Liste aufzunehmen, die vor 1950 geboren wurden.
  6. Über jedem der vier Kulturbereiche gibt eine Spalte mit den Epochen in je spezifischer Benennung und Ausdehnung einen groben Überblick. Diese Differenzierung ist wichtig und schafft synoptisch gute Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Bereichen. Sieht zum Beispiel der Philosoph in den Jahren um 1800 den „Deutschen Idealismus“, der Literaturwissenschaftler die „Frühromantik“, der Musiker die „Wiener Klassik“ und der Kunsthistoriker den „Klassizismus“, so wird das aus dieser Darstellung unmittelbar ersichtlich. Auch wenn zuweilen gleiche Überschriften verwendet werden, etwa „Romantik“, so wäre eine in allen Bereichen einheitliche Verwendung des Begriffes mit identischer zeitlicher Ausdehnung nicht korrekt, dauert doch die Romantik in der Musik doppelt so lange wie in der Literatur, während sie in der Philosophie nur eine marginale Kategorie ohne Epochencharakter darstellt. Angesichts des gesamteuropäischen Geltungsanspruches wurde die Klassifizierung als „Epoche“ generell sehr sparsam und im 20. Jahrhundert überhaupt nicht mehr verwendet. Jahreszahlen zur Begrenzung von Epochen sind grundsätzlich problematisch. Sie dienen der Einprägsamkeit und leichteren Orientierung. Statt gerundeter Zahlen sind an wenigen Stellen präzise biographische Daten von herausragenden Persönlichkeiten (Aristoteles, Augustus, Boethius und Beethoven) eingetragen, die in großer Übereinstimmung als Anfang oder Ende einer Epoche gesehen werden.
  7. Die „Feingliederung“ nach geistigen Strömungen ist unproblematisch, solange es sich dabei um klare und unbestreitbare Ordnungsbegriffe wie „Vorsokratiker“, „Norddeutsche Orgelschule“, „Präraffaeliten“ oder „Gruppe 47“ handelt. Je komplexer aber die Sachverhalte werden, die in diesem Projekt nur in knappen und vereinfachenden Typisierungen erfasst werden können, desto mehr ist der Benutzer zur eigenen kritischen Prüfung aufgefordert. Besonders deutlich tritt diese Problematik im Bereich der Musik auf, in der die Zuordnung zum „geistigen Umfeld“ traditionell primär an vielschichtige Gattungsbegriffe gebunden ist. Viele Komponisten waren in mehreren Genres tätig und könnten nur in hoch differenzierten Mehrfachnennungen angemessen charakterisiert werden. Zugunsten der Übersichtlichkeit wurde darauf weitgehend verzichtet. Stattdessen zeigt jeweils eine Epochenerläuterung in Stichworten unterhalb der Epochenzeilen den geistigen Raum an, in dem sich alle Komponisten einer Zeit bewegen. Generell gilt: alle hier genannten „geistigen Strömungen“ (Stile, Gattungen, Schulen...) charakterisieren mit nur einem oder zwei Begriffen die ihnen zugeordneten Persönlichkeiten notwendigerweise einseitig und unvollständig. Ihre Aufgabe ist es aber nicht, individuelle Züge eines Autors herauszustellen, sondern umgekehrt das Augenmerk auf jene Aspekte zu richten, die ihn in geistiger Verbindung mit anderen Persönlichkeiten und als Repräsentanten eines zeitlich und räumlich begrenzten kulturellen Geschehens zeigen.